Kirchenmusikalischer Schatz aus dem 16. Jahrhundert im Erzgebirgsmuseum in Annaberg-Buchholz
Im Rahmen des Musikfestes Erzgebirge 2018 werden im Erzgebirgsmuseum in Annaberg-Buchholz erstmals kirchenmusikalische Schätze aus dem 16. Jahrhundert ausgestellt – die berühmten Annaberger Chorbücher. Mit sichtlicher Freude nahmen sie Museumsleiter Wolfgang Blaschke und Kurator Jörg Bräuer am 4. September aus den Händen von Lars Spreer, leitender Mitarbeiter der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, in Empfang. Vermutlich stammen die Werke noch aus vorreformatorischer Zeit und damit über 500 Jahre alt. Sie sind eine Leihgabe der Sächsischen Landesbibliothek (SLUB). Bis zum 16. September 2018 haben interessierte Museumsbesucher nun die einmalige Chance, die Annaberger Chorbücher im Erzgebirgsmuseum zu bewundern. – Karten für das Musikfest berechtigen dort zum ermäßigten Eintritt.
Die beiden Annaberger Chorbücher gelten als besonders wichtige Saxonica zur Kirchenmusik des 16. Jahrhunderts. Als kirchliche Gebrauchshandschriften geben sie faszinierende Einblicke in die Musikpflege im Reformationszeitalter. Saxonica sind Publikationen, die sich inhaltlich auf das Gebiet Sachsen in den Grenzen der jeweiligen Zeit beziehen. Beide Kodizes bieten eine bunte Mischung meist vierstimmiger lateinischer Kirchenmusik: Messen, einzelne Sätze aus Messen, Magnificat-Vertonungen, Motetten sowie eine Sammlung von Hymnen und Introitus-Kompositionen.
Die Entstehung der Sammelhandschriften (auch als Annaberger Chorbuch I bzw. II bezeichnet; SLUB-Signaturen Mus.1-D-505 bzw. Mus.1-D-506) fällt wohl in das frühe 16. Jahrhundert. Dafür sprechen Komponistennamen wie Antoine Brumel, Loyset Compère, Alexander Agricola, Heinrich Isaac oder Josquin Desprez sowie der katholisch geprägte Inhalt.
Zwar wurde die Reformation im albertinischen Sachsen, so auch in Annaberg, erst im Jahr 1539 eingeführt, doch sind die Chorbücher wohl trotzdem nicht für das 1519 geweihte Gotteshaus der St. Annenkirche geschaffen worden, sondern als Teil eines größeren Quellenkomplexes, der „die kursächsisch-ernestinische Hofmusikpflege um und nach 1500“ (Steude) widerspiegelt. Nach Lesart der SLUB entstanden sie wahrscheinlich schon früher im ernestinischen Sachsen, vermutlich in Wittenberg. Dort durch die Reformation unbrauchbar geworden, seien die Bände nach Annaberg gelangt. Bis 1968 gehörten die Chorbücher der Kirchenbibliothek der Ev.-luth. Kirchgemeinde St. Annen, bevor sie in den Bestand der damaligen Sächsischen Landesbibliothek übergingen.
Prof. Dr. Matthias Herrmann vom Institut für Musikwissenschaft Dresden vertritt eine andere Theorie. Er vermutet, dass es sich bei den Chorbüchern um eine Stiftung Herzog Georgs an die St. Annenkirche handelt. Einen Beleg dafür gebe es in einem Rechnungsbuch des Hauptstaatsarchivs Dresden. Als Dank dafür habe ihm die Annaberger Kantorei bei seinem Besuch im Jahr 1518 einige Messen gesungen².
Textquelle für den Haupttext: Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB) https://blog.slub-dresden.de/beitrag/2016/07/19/zwei-quellen-viel-futter-fuer-die-forschung-annaberger-chorbuecher-digital/
Textquelle²: Dresdner Hefte Nr. 13, „Erzgebirg´ und Elbflorenz“, Artikel „Musik als verbindende Kraft“, Autor: Prof. Dr. Matthias Herrmann
Foto: Matthias Förster